So stillst du deine Bedürfnisse, ohne egoistisch zu sein

Die eigenen Bedürfnisse zu stillen ist doch egoistisch. Mit dieser Grundeinstellung bin ich aufgewachsen. Sich um sich selbst kümmern war nicht gefragt, es war egoistisch und nicht "selbstlos". Das habe ich als Kind als "das darf man nicht machen" ganz unbewusst beigebracht bekommen. Denn als Kinder lernen wir bis zu einem Alter von ca. 7 Jahren alles in unserer Umgebung wie ein Schwamm aufzusaugen, wir lernen unsere Umwelt auf diese Weise einzuschätzen und in gut und schlecht zu unterscheiden. Jede Erfahrung wird ungefiltert abgespeichtert und hilt fortan als Orientierungshilfe für das kleine neue Lebewesen auf diesem Planeten. Es ist unsere Überlebens-Programmierung. Wenn also die Menschen in deinem prägenden Umfeld ihre eigenen Bedürfnisse vernachässigen und sich mehr um andere kümmern und sorgen als um sich selbst, nimmst du das automatisch als "So macht man das eben" auf. Dieses Verhalten wird für dich zum Normalzustand. Und alles, was davon abweicht, ist falsch oder eben in diesem Fall: egoistisch.

Ich war umgeben von Menschen, die sich tagtäglich aufopferten und für andere einsetzten. In den wenigsten Fällen gab es eine Balance, die auch das eigene Wohl ganz bewusst mit einbezogen hat.

Meine Mutter arbeitete als Alleinerziehende in meiner Wahrnehmung rund um die Uhr. Aufgewachsen bin ich in großen Teilen in unterschiedlichen anderen Familiengefügen. Sie gönnte sich selbst quasi nichts. Wir fuhren zumeist in den Harz in den Urlaub und besonders als neugieriger Teenager war das ständige Wandern für mich damals eher eine Qual als die Freude, wie ich sie heute empfinden kann. Von ihr lernte ich darüber sparsam und minimalistisch zu sein. Ganz ungewollt übernahm ich das in mein Lebenskonstrukt.

Die Frau, die ich später als meine Oma bezeichnete, war das Bindeglied der Familie. Sie kümmerte sich um alles, umsorgte alle und brachte uns in großer Runde am üppig gefüllten Tischen zusammen. Ein Ausflug an ein Ziel ihrer Wahl? Das gab es nicht. Fragte man sie, was sie sich wünschte, winkte sie oft ab.

Die Männer, mit denen ich groß geworden sind, waren meist in der Feuerwehr tätig. Freiwillig neben dem Beruf oder hauptberuflich. Sie standen nachts auf, wenn der Pieper sie weckte, sprangen in ihre Klamotten und retteten Menschen aus Gefahrenlagen. Einfach mal zurücklehnen und etwas nur für sich tun? Das gab es nicht.

Unser Umfeld prägt uns, ob wir das wollen oder nicht. Besonders als Kinder nehmen wir ungefiltert alles auf. Wir lernen auf diese Weise in der Welt zu überleben. Wir saugen alles in uns auf und speichern es unter "So macht man es." ab. Diese Muster sitzen tief und steuern uns bis ins hohe Alter, wenn wir sie nicht hinterfragen.

Doch bevor ich weiter in mein persönliches Erleben einsteige, möchte ich dir ein Modell aus der Psychologie an die Hand geben, das die unterschiedlichen Bedürfnisse, die wir haben, in Relation zueinander setzt und erklären kann, warum wir manchmal mit unseren Wünschen nach Veränderung und Wachstum gar nicht so recht vorankommen. Hier fehlt uns oft ganz unbemerkt die Basis, das Fundament, von dem aus wir weitergehen können.

Bedürfnisse im Sinne der Psychologie

Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat ein Modell aufgestellt, in dem er Bedürfnisse aufeinander aufbauen in einer Pyramide darstellte. Dieses Modell ist daher auch als Bedürfnispyramide bekannt. Von unten nach oben aufgelistet:

  1. Grundbedürfnisse (Schlaf, Essen, Sex,..)
  2. Sicherheitsbedürfnisse (Wohnung, Geld, Gesundheit...)
  3. Soziale Bedürfnisse (Zugehörigkeit, Freunde, Partnerschaft,...)
  4. Indiviualbedürfnisse (Unabhängigkeit, Anerkennung, Wertschätzung,...)
  5. Selbstverwirklichung (Wunsch das eigene Potential auszuschöpfen)

Die unten liegenden Bedürfnisse sind die Basis von allen weiteren. Je nach Auslegung gehörigen die ersten 3-4 Kategorien zu den so genannten Defizitbedürfnissen (oder auch Mangel-Bedürfnisse). Diese Bedürfnisse sollten wir ganz bewusst stillen, sie bilden die Basis für eine hohe Lebensqualität.

Die letzten 1-2 Bedürfnis-Kategorien werden auch Wachstumsbedürfnisse genannt. Sie können im Grunde nicht gestillt werden, sondern streben nach mehr. Ganz im positiven Sinne der stetigen Weiterentwicklung und dem lebenslangen Lernen.

Beduerfnispyramide nach Maslow (Bedürfnisse)

Was passiert, wenn wir unsere Bedürfnisse ignorieren?

Wenn wir uns um diese Bedürfnisse auf Dauer nicht kümmern, können sie zu kleinen oder größeren Störungen führen. Leben wir beispielweise über längere Zeit in einer unsicheren Situation, entwickeln wir Angst. Diese Angst kann sich immer weiter aufstauen, bis wir in einer Form von Angststörung gelangen, in der wir uns ständig von drohenden Gefahren umgeben sehen. In der heutigen Zeit, in der uns ein kleiner Virus ständig auf Trapp hält, die Medien Angst schüren und wir uns teilweise kaum sicher aus dem Haus trauen, möchte ich dieses Thema nicht noch weiter strapazieren. Ich habe dir ein Beispiel aus meinen letzten Jahren mitgebracht, das das Nicht-Beachten von Bedürfnissen ebenso gut veranschaulicht.

Wenn wir uns in ständiger Unsicherheit fühlen

Ich habe über viel zu lange Zeit meine eigenen Bedürfnisse nicht geachtet. Sicherheit hatte ich zwar von Außen betrachtet, doch eher auf einer sachlichen Ebene. Ich hatte einen gut bezahlten Job, eine warme Wohnung, eine sichere Umgebung in der Stadt, in der ich lebe. Bei mir tobte kein Krieg vor der Haustür, ich wurde nicht physisch angegriffen oder von Gewalt heimgesucht. Mein Kampf fand im Stillen stand, dort wo nur ich ihn erleben konnte und in aller Intensität fühlte. Mein Kampf spielte sich in mir ab.

Im Inneren fühlte ich mich nicht sicher. Ich hatte Angst. Ich hatte Angst den steigenden Anforderungen in meinem Job nicht zu genügen und den an mich selbst gerichteten Anspruch nicht mehr halten zu können. So wurde mein Arbeitsplatz irgendwann zu einer gefühlten Gefahrenzone. Minütliche Einschläge von E-Mails im Posteingang, Vibrationen von Anrufen auf meinem Handy, die mich erschütterten, und Kollegen, die aufdringlich neben meinem Tisch standen, um mir (vermeintlich) die nächste Aufgabe auf den Tisch zu knallen. Plötzlich war mein Büroalltag zur gefühlten Gefahr geworden. Die Angst wollte ich nicht wahrhaben, drängte sie beiseite, um sich nicht mehr fühlen zu müssen und mir selbst zu beweisen "Ich bin stark, ich kann das". Ich wollte entsprechen und "meinen Mann stehen". Ich wollte dazugehören, mich beweisen und Anerkennung für meine Leistung. Das lief eine ganze Weile nach Außen hin auch sehr gut. Doch irgendwann hatte ich meine Gefühle soweit beiseite gedrängt, dass ich gar nichts mehr fühlen konnte. Ich steckte mitten in einer Depression. Mein innerer "Wunsch" nichts mehr zu fühlen, um besser zu funktionieren, hatte sich manifestiert. Ich fühlte gar nichts mehr, nur Leere. Kein Antrieb, nur Existieren.

Bedürfnisse und Gefühle sind wie Wasserbälle

Es begann eine sehr dunkle Zeit. Eine Zeit, in der kaum etwas zu mir durchdringen konnte. Nicht mal ich selbst. Ich hatte mich abgekapselt von allem und durfte erst wieder lernen einen Zugang zu mir zu bekommen. Doch diesmal versprach ich es mir es richtig zu machen. Ich wollte tief eintauchen in mich.

Die meisten Dinge, die in uns im Verborgenen liegen, liegen dort, weil wir sie nicht sehen wollen. Erst recht wollen wir sie nicht fühlen. Wir tun also nahezu alles, um diese Gefühle wegzusperren und sie zu verbannen. Vor anderen und vor uns selbst. Es kostet unglaublich viel Energie diese gut zu verstauen. Im Grund sind die eingelagerten Gefühle und alten Situationen wie Wasserbälle, die wir ständig versuchen unter die Wasseroberfläche zu drücken, damit sie bloß kein anderer sieht. Doch die anderen sehen und spüren, dass wir angespannt sind. Sie spüren, dass wir nicht gelassen, sondern angestrengt sind. Menschen sind sensibler als wir denken. Doch in den meisten Fällen ziehen die anderen dann falsche Schlüsse, weil sie von ihrem eigenen Verhalten und ihren Erfahrungen ausgehen und die wahrgenommene Anspannung und das Verhalten des Gegenübers in ihre Erfahrungen einordnen. Erst wenn wir darüber sprechen, wie es uns selbst geht, können wir gemeinsam mehr über die unterschiedlichen Herangehensweisen lernen.

Wenn wir unsere Wasserbälle an die Oberfläche holen, unsere Anspannung ganz langsam loslassen und uns ansehen, was da ist, können wir bewusst entscheiden, was wir davon noch brauchen und was wir loslassen.

Mehr zum Thema Bedürfnisse erfährst du in meinem Interview in der Folge 10 im Podcast "Einfach mal machen".

Bedürfnisse erfüllen bedeutet Erfolg

So bin ich Stück für Stück aus meiner Depression herausgekommen. Ich habe mir viele der großen Wasserbälle bewusst angeschaut. Angefangen mit der Ohnmacht und Trauer, die mich diese Krankheit fühlen ließ. Sie war der Auslöser mich mit mir und meinen Bedürfnissen intensiv auseinanderzusetzen. Sie hat mir geholfen, mich von vielen Wasserbällen, die ich unter der Wasseroberfläche in Anspannung über Jahre gehalten hatte, zu befreien.

Dieser Prozess ist eine Lebensaufgabe, die wir alle nicht lösen werden. Es gibt kein Ende, kein "Jetzt bin ich fertig". Es geht lediglich tiefer. Mit jeder durchtauchten Schicht zu uns wird es leichter. Wir kommen uns selbst immer näher und dieses Gefühl ist das Gefühl anzukommen, wonach so viele im Außen suchen. Je mehr wir uns im Außen etwas wünschen, desto eher können wir es uns im Innen erfüllen. Es braucht die Schritte raus aus der eigenen Komfortzone, um sich letztlich selbst näher zu kommen.

Mein Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit hatte ich mich durch meinen Bulli Fred erfüllt. Doch als dieser mich aufgrund seines Motorschadens verlassen hatte, brachte auch erstmal das Gefühl weg frei und unabhängig zu sein. Ich hatte mich im Grund abhängig gemacht. Doch dieser Verlust hat mir wieder eine weitere, tiefere Schicht zu mir selbst ermöglicht. Die Angst von etwas (oder jemandem) verlassen zu werden, der mir so viel Freiheit und Unabhängigkeit ermöglicht. Ich konnte erst durch diesen Verlust weiteres in mir selbst loslassen.

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Schritt für Schritt können uns unsere Bedürfnisse also aufzeigen, wo wir stehen und wo wir hinwollen. Je mehr wir uns auf das, was gerade ist, einlassen, desto lebendiger fühlt sich das Leben an. Ein harter Plan, ein starres "So bin ich" oder "So ist das", hält uns unnötig gefangen. Es geht auch nicht immer nur rauf auf die Bedürfnispyramide. Es springt immer mal hin und her. Das Leben ist nicht gradlinig, es ist lebendig.

Persönlicher Erfolg beudetet für mich ein Leben zu leben, das zu mir und meinen Bedürfnissen passt. Das wünsche ich auch dir. Lass dich auf deine Bedürfnisse ein. Lass dich auf dich selbst ein. Erst mit dem Blick nach Innen wirst du deinen Wünschen wirklich näher kommen. Deine Bedürfnisse zu kennen, dich um dich zu kümmern, führt dich am Ende zu mehr Energie, die du dann mit anderen Teilen kannst. Nachhaltige Veränderung braucht alle Ebenen.

Denken. Fühlen. Machen.

Reflektieren. Annehmen. Neu ausrichten.

Schreib mir, wenn du dein Leben nachhaltig verbessern willst:

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2 Kommentare

  • Hallo Marina,

    Total schön, wie tief, klug und liebevoll du deine Erlebnisse und Erfahrungen beschreibst und weitergibst.
    Ich freue mich schon auf den nächsten ❤
    Liebe Grüße
    Michaela
  • Hey Michaela,

    danke für deine lieben Worte. Das berüht und freut mich sehr! Ich schick dir eine Umarmung (sofern du magst ;) ).

    Ganz liebe Grüße
    Marina

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